Rheinbrücke im Mittelrheintal an der Loreley: Betonbauer sind hier fehl am Platz
Im Westfalen-Blatt aus Bielefeld veröffentlichte Andreas Kolesch am 3. März 2008 nachfolgenden Kommentar der zur Veröffentlichung der Meinungsvielfalt hier dargestellt wird, aber nicht die Meinung von www.loreley-blog.de wiedergibt:
Das Westfalen-Blatt zum Dresdener Elbtal und zum Mittelrheintal
Manchmal, da wird es laut in Deutschland, Schreibtischtäter!, ruft der eine, Hitler wollte das auch schon tun!, schallt es zurück, und dann weiß man: Die Deutschen debattieren wieder.
Diesmal geht es um Brücke oder Tunnel oder Alles-so-lassen. Alles so zu lassen, wie es ist, würde im Dresdener Elbtal und im Mittelrheintal bedeuten, dass der Status des Weltkulturerbes erhalten bliebe.
Den Deutschen aber, sobald er etwas Ansehnliches vorzuzeigen hat, erfasst nicht verdienter Konservatorenstolz, sondern das Bedürfnis, das Schöne auszubauen, umzubauen und zu betonieren. Sachsens Politiker wollen das Waldschlößchenmonstrum in die Flussauen rammen. Ihre rheinland-pfälzischen Kollegen ducken sich in den Windschatten einer Initiative, die tönt, bei der Rheinbrücke an der Loreley sei es nicht fünf vor Zwölf, sondern bereits Viertel nach Eins.
Seit 200 Jahren geht das nun schon so: Tempo! Tempo! »An die Stelle der trägen Behaglichkeit ist ein allgemeines Treiben und Wirken getreten«, ächzte ein Journalist im Jahr 1801, als man in deutschen Landen meinte, jetzt beginne die Moderne. Seither steht, Generation für Generation, mit schöner Regelmäßigkeit jemand auf und verkündet, er führe uns herrlichen Zeiten entgegen.
In Dresden geht angeblich die Sonne auf, sobald der Güterverkehr noch schneller auf die beiden Stadtautobahnen kommt. An der Loreley wird alles gut, wenn die 1482 Einwohner des rechtsrheinischen St. Goarshausen zügig auf die A61 brausen können.
Mal ehrlich: Sind diese Argumente nicht ein bisschen dürftig? Leider stellt sich diese Frage immer seltener, wenn Deutschland debattiert. Auf der einen Seite des Tisches nämlich hocken in der Regel Politiker, die ungeprüft die Angaben der Wirtschaftslobbyisten wiederkäuen. Diesen von der Schulbank ohne Umweg über eine fachliche Ausbildung in die politischen Gremien eingezogenen Jasagern sitzen hochqualifizierte Spezialisten gegenüber wie die von ICOMOS, dem Beratergremium der Unesco - Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, Ingenieure und Architekten. Übrigens auch Wirtschaftswissenschaftler.
Wann immer die an den Fäden des Lobbyismus tanzende Politik mit der Faust auf den Tisch haut, prügelt sie eine alte Gewissheit: dass die Gemeinschaft niemals nur von Ökonomen getragen wird, sondern ebenso von Menschen, die Natur erhalten und Kultur schaffen. Man mag sie Schöngeister nennen - die Reise in die Moderne wäre ohne den Bildungsbürger ein Horrortrip geworden.
Die Frage … eines Brückenbefürworters, wieviele Besucher denn überhaupt wegen des Weltkulturerbe-Status zur Loreley pilgern, zeugt von erschreckender Unkenntnis: Der Welterbe-Titel ist kein touristisches Gütesiegel, sondern die Auszeichnung eines dauerhaft bewahrenswerten Gutes. Daraus ergeben sich unvergängliche Verpflichtungen. Betonbauer sind hier fehl am Platz.